Papstschreiben ist Vision, nicht Schlusspunkt

Erzbischof Schick zum Apostolischen Schreiben "Querida Amazonia"
Das nachsynodale Apostolische Schreiben „Querida Amazonia - Geliebtes Amazonien“ von Papst Franziskus wird eine unterschiedliche Aufnahme finden. Für mich als Weltkirchenbischof seitens der Bischofskonferenz, dem die weltweite Evangelisierung und integrale Entwicklung aus der Botschaft Christi aller Menschen und Völker durch die Ortskirchen aufgetragen ist, ist das Schreiben eine Bestätigung und Freude. Es unterstreicht die Katholizität der Kirche, in der alle für alle Verantwortung tragen, damit sich das Reich Gottes der Gerechtigkeit, des Friedens, der Liebe und Freude überall ausbreitet.
Der Bevölkerung in Amazonien, d. h. den ca. 110 verschiedenen Ethnien, wird es große Freude bereiten. Der Papst setzt sich für ihr Heimat- und Bleiberecht, für die Anerkennung ihrer Kulturen ein, er fordert, dass sie wertgeschätzt werden und alle politisch und wirtschaftlich, ökologisch und religiös Verantwortlichen in der ganzen Welt diese Völker und Kulturen schätzen und ihren Lebensraum erhalten.
Manche Regierungen und Global-Player in der Wirtschaft werden dieses Schreiben als unwillkommene Mahnung abtun; der Papst fordert von ihnen, dass sie ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen sowie ihr Bestreben nach Reichtum und mehr Einfluss nicht über den Schutz der Völker und der Natur in Amazonien stellen.
Einigen Theologen und Kirchenmännern, die während und nach der Synode im Oktober befürchteten, dass die Wertschätzung der indigenen Kulturen mit ihrer Religiosität die Einzigartigkeit des Christentums, des Evangeliums und der Person Jesu Christi nivellieren würde, wird das Schreiben beruhigen. Es betont die Unverwechselbarkeit und die Einmaligkeit der Person und Botschaft Christi, die alle Kulturen reinigen und vervollkommen.
Die, die von dem Schreiben eine Aufhebung des Zölibats, wie er in der katholischen Kirche des lateinischen Ritus seit Jahrhunderten gelebt und gefordert wird, sowie die, die Einführung des Frauendiakonats oder die Weihe von Frauen zu Diakoninnen und sogar Priesterinnen erhofften, werden im wahrsten Sinn des Wortes enttäuscht sein. Ihre Erwartungen werden nicht erfüllt. Der Papst spricht weder von einer Lockerung des Zölibats noch von der Weihe von „viri probati“, noch vom Frauendiakonat oder vom Priestertum der Frau.
Sinn und Ziel des Schreibens ist: Amazonien zu erhalten: die Bevölkerung und ihre Kulturen, die Schönheit der Natur und den Reichtum der Schöpfung. Der Papst betont auch, dass die Völker in Amazonien allen Zivilisationen viel zu lehren haben: Die Wertschätzung der Natur, die Bewunderung der Schöpfung, die Liebe zu allen Geschöpfen, das Leben mit der Natur, die gelebte Solidarität, die Zufriedenheit und Bescheidenheit der Menschen.
Im dritten Kapitel stellt der Papst dann seine Vision von der Natur Amazoniens vor, die durch das Wasser des Amazonas und seinen vielen Nebenflüsse charakterisiert wird; damit verbunden sind die wunderbare Natur- und Tierwelt.
Im vierten Kapitel spricht er von „Einer kirchlichen Vision“, die sich für die Menschen dort einsetzt und ebenso für die Schöpfung. Das Evangelium und die Person Jesu Christi, die Sakramente, vor allem die Eucharistie am Sonntag, sind ein unerlässlicher und unaufgebbarer Beitrag, um den Menschen in Amazonien das Leben zu erhalten und die Schöpfung zu bewahren.
Das Schreiben ist eine ‚Vision‘ und stellt vor allem eine Aufforderung an die Menschen in Amazonien dar, ihr Leben zu leben und ihre Kulturen zu erhalten. Es ist dann eine Mahnung an die Regierungen der Länder, zu denen Amazonien gehört und dann auch an die internationale Gemeinschaft, das „Geliebte Amazonien“ in seiner Eigenart und Vielfalt, mit seinen Werten und seiner Bedeutung zu erhalten.
Das Schreiben ist auch eine Aufforderung an die Kirche, ihren Beitrag zu leisten für die Menschen und die Schöpfung in Amazonien, mit der Verkündigung des Evangeliums, seinen Werten und Tugenden, durch die Feier der Sakramente und aller Gottesdienste sowie die vielen kirchlichen Dienste gegen Hunger und Krankheit, für Bildung und Entwicklung.
Damit Kirche in Amazonien präsent sein und bleiben kann, müssen neue und weitergehende Formen der Mitwirkung von Frauen, die Werbung für den priesterlichen Dienst und den Einsatz vieler Ordenschristen und Laien Fortschritte machen. Der kirchliche Dienst soll überall hinkommen.
Das Schreiben des Papstes ist eine Vision für die Zukunft von Amazonien und nicht Feststellung oder Schlusspunkt nach der Synode im vorigen Oktober, sondern Aufforderung an alle in Kirche und Welt, diese Vision des Papstes weiterzudenken und weiterzuführen. Dafür sollen die Synodalität und Synodale Weg der Kirche und in der Kirche Hilfe und Orientierung geben, Methode und Anleitung sein. Synodalität ist der Weg der Kirche in die Zukunft; das bestätigt Papst Franziskus auch im Schreiben Querida Amazonia erneut.