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Hoffnung in der Finsternis

Libanon Schule Namee mit Abdo Raad Walter Ries.jpg
Datum:
Veröffentlicht: 14.11.22
Von:
mkh

Naameh/Libanon. Der Libanon versinkt im wirtschaftlichen, politischen und sozialen Chaos. Da schenken das Erzbistum Bamberg und Stegaurach ein wenig Perspektive. Ein Besuch im Zedernstaat mit Pfarrer Walter Ries.

Walter Ries ist alles andere als abgebrüht. Doch der Pfarrer der katholischen Gemeinde in Stegaurach im Landkreis Bamberg zeigt sich selbst angesichts bittersten Elends gefasst. Schließlich hat er schon einige Male den Libanon besucht: Dieses kleine Land im Nahen Osten, einst als „Schweiz des Orients“ für seine landschaftliche und kulturelle Schönheit gerühmt, jetzt im völligen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Zerfall. Dieser erbärmliche Zustand des Zedernstaates alarmiert Pfarrer Ries natürlich. Denn seit geraumer Zeit unterstützt seine Gemeinde dort die „Charity School“ in Naameh südlich der Hauptstadt Beirut, eine private Schule für syrische Flüchtlingskinder. Auch das Erzbistum Bamberg gibt finanzielle Mittel für den laufenden Betrieb: Rund 90.000 Euro waren es in den letzten Jahren.

Selbstredend, dass Pfarrer Ries während seiner herbstlichen Reise in und durch den Libanon diese Schule aufsucht: „Bildung braucht Geld, und es gibt immer wieder Finanzierungslücken, die die Existenz dieser Schule bedrohen“, weiß er nur zu gut. 70.000 US-Dollar werden jährlich gebraucht, um die Gehälter der 26 Lehrkräfte, Nebenkosten wie Wasser, Strom, Büromaterial bezahlen zu können. Und 70 Prozent der Eltern dieser 275 Schüler und Schülerinnen können die 100 Dollar Schulgeld im Jahr nicht aufbringen: „Unterrichtet werden sie trotzdem“, versichert Direktor Elie Fadel, der nimmermüde „Vater“ dieser großen Schulfamilie.

„Lernen hier macht Spaß!“ versichern Bassam (13 Jahre) und Sally (12) dem Gast aus Deutschland, der ihren Klassenraum betritt. Freundlich begrüßt von Lehrerin Amani, eine Libanesin, die trotz stets ungewisser Gehaltszahlungen mit Herzblut unterrichtet. In diesem Jahr 2022 bekommen Amani und ihre Kollegen 120 Dollar im Monat, vor der Corona-Pandemie waren es 200 Dollar. Wie all ihre Landsleute erweisen sie sich als wahre Lebenskünstler. Denn die Preise für Lebensmittel, Heizmaterial, Medikamente und alle Dinge des einfachen Lebens schießen in die Höhe.

Da ist es ein Segen, dass es Menschen wie Pfarrer Abdo Raad mit seinem Verein „Annas Linnas“ – auch Träger der „Charity School“ - gibt, der Bedürftigen nach besten Kräften zur Seite steht: „Wir organisieren Lebensmittel, Kleidung, Medikamente“, fasst der melkitisch-griechisch-katholische Priester des Erzbistums Sidon zusammen. Er begleitet seinen Freund aus gemeinsamen römischen Studienzeiten Walter Ries durch den Libanon. Gewährt tiefe Einblicke in das instabile Land mit seinen 6,7 Millionen Einwohnern, die dem politischen Unvermögen und der Zerstrittenheit der korrupten Regierungskreise ausgesetzt sind.

Die prekäre Lage der libanesischen Bevölkerung bringt auch die Flüchtlinge im Land in noch größere Not: „Die Stimmung gegen Flüchtlinge ist schlecht“, sagt der Erzbischof von Sidon Elie Haddad, als die beiden Pfarrer ihn danach fragen. Die Kirche versuche durch ihre Caritas, den Geflüchteten zu helfen, so der Erzbischof. Doch das „kann nicht viel sein“, bedauert er. Denn der Libanon ist eines der am stärksten betroffenen Länder des Krieges in Syrien. Im Vergleich zur Einwohnerzahl hat das Land mit geschätzten 2,8 Millionen Syrern weltweit am meisten Flüchtlinge aufgenommen. Und nicht einmal alle, die in den Libanon geströmt sind, konnten bisher registriert werden: „Ein Termin für die Registrierung dauert zwei Jahre!“ erklärt Pfarrer Raad. Zu den Flüchtlingen aus Syrien im Libanon kommen etwa 5000 Menschen äthiopischer, irakischer, sudanesischer Herkunft hinzu sowie rund 479.500 palästinensische Flüchtlinge unter dem Mandat der UNRWA (UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge).

Abdo Raad bringt Walter Ries in das Flüchtlingscamp Ketermaya, das sein Verein „Annas Linnas“ im helfenden Blick hat. 265 Erwachsene und 147 Kinder aus Syrien hausen in Zelt- und Bretterverschlägen. Nur einige der Männer können ihre Familie als gelegentliche Tagelöhner über Wasser halten. Die 20 Dollar, die ein registrierter Flüchtling vom Hilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) bekommt, reichen „zum Sterben, nicht zum Leben“, wie Ali Mahmoud Tafesh sagt. Er stellt das Land für das Camp kostenlos zur Verfügung und kümmert sich um die leidgeplagten Menschen, soweit er kann.

„Die Hoffnungslosigkeit ist greifbar“, kann Pfarrer Ries nur leise sagen. Erschüttert von den Schicksalen besonders der Kinder in Ketermaya, die keine staatliche Schule aufnehmen will. Umso hoffnungsvoller blickt Walter Ries auf die „Charity School“ in Naameh: „Hier haben Flüchtlingskinder Aussicht auf eine Perspektive", meint er zuversichtlich.

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